„Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet. Gigantische Schiffe, die brannten, draußen vor der Schulter des Orion. Und ich habe C-Beams gesehen, glitzernd im Dunkeln, nahe dem Tannhäuser Tor. All diese Momente werden verloren sein in der Zeit, so wie Tränen im Regen.” Dieser Satz des Replikanten Roy Batty, gespielt von Rutger Hauer, hat nicht nur Kinogeschichte geschrieben, sondern ist kulturelles Allgemeingut geworden. „Ich habe Dinge gesehen…” wurde zum geflügelten Wort, das heute sowohl in Memes wie im Kneipengespräch zu Hause ist.
Aber der Satz ist beileibe nicht das einzige ikonische Element des Films Blade Runner von Ridley Scott, der sein vierzigjähriges Jubiläum feiert. Die futuristische Filmwelt, die Dark-Ästhetik der Fotografie, die schummrige Neo-Noir-Atmosphäre der Stadt, die Neonreklame und der Regen haben einen Science-Fiction-Standard gesetzt, der heute noch Kino und Gaming gleichermaßen beeinflusst. Filme wie Terminator, Brazil, Das fünfte Element, die Matrix-Trilogie, Inception oder Computerspiele wie Snatcher und Cyberpunk 2077 sind in ihrer Ästhetik alle Blade Runner verpflichtet. Dies ist nicht zuletzt der Arbeit des Kameramanns Jordan Cronenweth geschuldet, der für seine revolutionäre und neuartige Arbeit mit einem BAFTA ausgezeichnet wurde.
Mit seiner Kameraführung hat Cronenweth Schule gemacht und die Cyberpunk-Ästhetik maßgeblich geprägt, das auf den Büchern Philip K. Dicks fußende dystopische Genre, in dem Hi-Tech auf den Zusammenbruch der Gesellschaft trifft. Der Schriftsteller William Gibson, Autor zahlreicher Science-Fiction-Bücher und Begründer des Begriffs Cyber space hat dem Film mit diesen Worten gehuldigt: „Er ist noch besser als die Bilder, die ich im Kopf habe.“
Viele Kollegen Cronenweths haben seine Arbeit mit dem Licht als „elegant“ bezeichnet, und der Kritiker der Los Angeles Times verglich ihn gar mit Vermeer. Genau wie in einigen von dessen Gemälden treffen die Lichtstrahlen seiner Kamera auf Gesichter oder Gegenstände und machen sie zu Protagonisten der Noir-Kulisse eines düsteren Los Angeles der Zukunft, das mit seinen fliegenden Fahrzeugen und mörderischen Androiden wie ein großer Nightclub im Freien anmutet. Eben durch die Wahl des Lichts wird die Nähe zum Noir-Genre bekundet: Starke Hinterleuchtung, ausgeprägte Kontraste, Lichtschnitte und Schatten an den Wänden der Räume, der häufige Rückgriff auf Silhouetten sind typische Merkmale des Film Noir der 40er und 50er Jahre in Hollywood und vor allem des Citizen Kane von Orson Welles (den Ridley Scott so sehr verehrte, dass Blade Runner ihm ähnlich sein sollte).
Der Erfolg des Films, der in kurzer Zeit zum Klassiker und Kult avancierte, war so schlagend, dass 2017 ein Sequel, Blade Runner 2049, gedreht wurde, bei dem Denis Villeneuve Regie führte und Harrison Ford in der Rolle von Dick Reckard an der Seite von Ryan Gosling auf die Bühne zurückkehrte. Auch die Kameraführung dieses Films unter Leitung des Engländers Roger Deakins wurde gefeiert und brachte ihm einen Oscar und einen BAFTA für die beste Kamera ein.
Das Sequel huldigt in mehreren Szenen der Arbeit von Cronenweth, wenn es mit Silhouetten und Neonreklamen das Science Fiction-Los Angeles neu erschafft, hält aber auch Neuerungen bereit, wenn es das große Thema unserer Epoche verhandelt: die Klimakatastrophe. Die globale Erwärmung und die Erde, die sich durch menschengemachte Einwirkungen verändert, sind Themen, mit denen sich Hollywood bereits auseinandersetzte, als sie noch kein Mainstream waren und die hier durch Wüstenatmosphäre und den massiven Einsatz von Orangefarbtönen und -lichtern wiedergegeben werden. Der einzige, in Blade Runner 2049 gezeigte Baum ist seit mehreren Jahrzehnten tot.
Auch im Abstand von vierzig Jahren kommt Blade Runner weiterhin eine Schlüsselrolle im Science-Fiction-Kosmos und darüber hinaus zu, was auch der Kameraarbeit und dem Einsatz des Lichts geschuldet ist. Dies zeigt, dass die Zukunft der Welt, stärker denn je, ihre dunklen Schatten vorauswirft und fast schon Gegenwart geworden ist.