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Das nötige Licht von Luca Bigazzi

Die Erzählung der Wirklichkeit in den Worten eines der besten Kameramänner unserer Zeit.

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Published: 25 Nov 2022
Die Besetzung von Siccità vereint einige der größten italienischen Kinostars der letzten Jahrzehnte wie Silvio Orlando, Valerio Mastandrea oder Tommaso Ragno, Ikonen wie Monica Bellucci und aufstrebende Sternchen wie Emanuela Fanelli und Sara Serraiocco. Aber der neue Film von Paolo Virzì, der dieses Jahr auf der 79. Mostra Internazionale d'Arte Cinematografica in Venedig präsentiert wurde, hat sich vor allem durch seine Stimmung einen Namen gemacht, mit einem Licht in gelben Farben, das schon im Trailer eine post-apokalyptische Mittelmeerwelt ankündigt.
Ein einziger Frame des Films genügt, um in das Parallel-Rom einer hypothetischen Zukunft geworfen zu werden. All dies ist das Verdienst von Luca Bigazzi, einem der begehrtesten Kameramänner weltweit. Siccità, eine Dystopie über ein Rom ohne Wasser, ist noch nicht einmal sein einziger Film, der derzeit in den Kinos läuft. Auch bei Il Colibrì in der Regie von Francesca Archibugi, die Verfilmung des gleichnamigen Romans, mit dem Sandro Veronesi 2020 den Literaturpreis Strega gewann, steht er hinter der Kamera. Die Zeitreisen, die wir anhand der Erinnerungen der Hauptperson (Pierfrancesco Favino) miterleben, geben uns einen Eindruck einer Epoche, die vor allem dank der Kameraarbeit von Bigazzi zum Leben erweckt wird, der in wenigen Sekunden mit Licht die verschiedenen Momente und Stimmungen der Vergangenheit einfängt. Die Kameraführung von Siccità und die von Il Colibrì scheint ganz unterschiedlicher Natur zu sein, aber beide drücken eine der tiefsten Überzeugungen von Bigazzi aus: „In meiner Arbeit versuche ich, die Wirklichkeit zu respektieren und sie soziologisch und nicht nur ‚künstlerisch‘ zu erzählen, ein Wort, das mir fremd ist. Ich versuche, in der Darstellung der Realität aufrichtig zu sein.“ Dieses Streben, diese Hingabe zur getreulichst möglichen Darstellung, bildet den roten Faden seiner Karriere. Am Beispiel von Marco Carrera, dem Protagonisten von Il Colibrì, ist die Verhaftung der Kamera in der bürgerlichen Realität auch dann offensichtlich, wenn die Filmerzählung in die Vergangenheit zurückgeht. In den Regievermerken schreibt Francesca Archibugi: „Bigazzi und ich wollten den verschiedenen Rückblicken keine andere Farbe gegenüber der Jetzthandlung geben, die erzählten Epochen nicht verfremden, sondern ihnen dieselbe Einheit schenken, die sie in unseren Erinnerungen haben.“ Auch die Kamera von Siccità ist tief in der erzählten Wirklichkeit verwurzelt, obwohl es sich um einen im Wesentlichen dystopischen Film handelt. Die um Gelbtöne herum organisierte Farbpalette ist die von Wüstenregionen, die für Italien und Rom heute noch unvorstellbar weit weg anmuten, aber bedingt durch den Klimawandel gefährlich nahegekommen sind.

Bigazzi hat in seiner Karriere oft zusammen mit Paolo Sorrentino gearbeitet. Gemeinsam haben sie Filme gemacht, die in die Geschichte eingegangen sind: Le conseguenze dell‘amore, This must be the place und La grande bellezza, letzterer Gewinner des Oscars für den besten ausländischen Film 2014.
Als Kameramann wurde Bigazzi mit unzähligen Preisen und Kandidaturen geehrt, darunter für The Young Pope bei den Emmy Awards. Die Zusammenarbeit mit dem Regisseur von Il Divo ist dabei nicht die Einzige, die ihm Auszeichnungen eingebracht hat. Bigazzi hat u.a. Gianni Amelio, Ciprì und Maresco, Cristina Comencini und Mario Martone Filme gemacht, Regisseuren und Regisseurinnen also, die bekannt dafür sind, Erzählwelten, soziale Konditionen und Wirklichkeiten auf lebendige und getreuliche Weise einzufangen. Aber in seiner Verbundenheit zur getreulichst möglichen Abbildung der Wirklichkeit geht Bigazzi immer auf die Filmhandlung ein. In dieser Hinsicht zeigt sich seine Meisterschaft in Sicilian Ghost Story, einem Film von Fabio Grassadonia und Antonio Piazza, der die 56. Semaine de la Critique 2017 in Cannes eröffnete. In den Szenen, die in den Höhlen und um den See gedreht wurden, hat Bigazzi die märchenhafte Stimmung der Geschichte eingefangen, die er „den durch eine fantastische Eingebung vermittelten Nacht-Effekt“ nannte.
Das Licht ist zentraler Bestandteil im Leben eines Kameramanns. So ist es kein Zufall, dass der mit Alberto Spadafora realisierte Interview-Band den Titel „La luce necessaria“ (Das nötige Licht) trägt. Bigazzi, der keine formelle filmische Ausbildung besitzt, erzählt in diesem Buch von seinem Glück, einen Banknachbar wie Silvio Soldini gehabt zu haben, mit dem er die ersten Kurzfilme und mittellangen Filme drehte, bis zum Kultfilm Brot und Tulpen, der überwiegend im nächtlichen Venedig gedreht wurde.