Error 404 ist der Alptraum jedes Internetreisenden: Die Fehlermeldung zeigt an, dass ein Inhalt nicht mehr verfügbar ist.
Error 404 ist auch der Titel des von Esther Paniagua geschriebenen Buches (in Deutschland von Hoffmann und Campe verlegt). Sein Untertitel macht aber klar, dass die Autorin das Problem in die Metaebene hebt:
Der Ausfall des Internets und seine Folgen für die Welt. Sind wir auf diesen Ausfall vorbereitet? Das haben wir die Autorin Esther Paniagua selbst gefragt. Die ehemalige Chefredakteurin von „MIT Technology Review“ arbeitet als freie Journalistin für „El País“, „El Español“ und „National Geographic“ und setzt sich seit jeher mit dem Thema des technologischen Fortschritts und seiner Folgen für unser Leben auseinander. Mit Paniagua haben wir über ein Internet gesprochen, das Traum und Alptraum zugleich ist, über die Zukunft der Information, der Kreativität und der Künstlichen Intelligenz.
In Ihrem Buch Error 404 schreiben, dass die Ursünde des Internets gewesen sei, als World Wide Web kostenfrei und als demokratischer und offener Raum wahrgenommen worden zu sein. Glauben Sie, dass wir zum Geist dieses nicht-gewinnorientierten Internets zurückkehren können?
Ich glaube nicht, dass dieser Geist je zum Erliegen gekommen ist, in letzter Zeit gab es einige Versuche, ihn wiederzubeleben, etwa vor fünf Jahren mit der Begeisterung für die Blockchain-Technologie und kürzlich mit dem Web3-Konzept. Ich denke aber auch nicht, dass eine kommerzielle Nutzung des Internets an und für sich schlecht ist. Es geht eher darum, dass eine solche Nutzung der Grundidee des Internets nicht in die Wiege gelegt ist, dass keine Regeln und Ressourcen bereitgestellt worden waren, um es zu reglementieren, als klar war, dass diese Fragen aufkommen würden. Wir leben nun einmal in einer kapitalistischen Welt, ob es uns gefällt oder nicht, und das Kapital findet in jedem unerforschten und noch nicht ausgebeuteten Winkel immer neue Gelegenheiten und Nischen. Das Problem ist, dass das Internet ohne diese Regeln von einigen wenigen großen Konzernen kommerzialisiert und parasitiert wird. Es ist unsere Pflicht, das Internet jetzt von den Parasiten zu befreien, die Macht der Monopole und der digitalen Totalismen zu beschränken, Anreize für Räume schaffen, die Freundlichkeit, Solidarität, Teilhabe, Information und Wissensaustausch begünstigen und das Ziel verfolgen, ein friedliches Online-Zusammenleben zu erreichen, in der sich Geschäfte machen lassen, aber in dem eben nicht alles Geschäft ist, Bürger nicht als Produkte angesehen werden.
Glauben Sie, dass Zeitschriften und Zeitungen noch ein Leben außerhalb des Internets haben oder dem Internet langfristig zum Opfer fallen?
Ich denke, dass der Printsektor sicher nicht todgeweiht ist. Auch heute noch erscheinen neue Print-Zeitschriften, sogar ohne Digitalversion! Das ist Absicht und auch eine Möglichkeit, sich einen eigenen Raum zu erobern. Vor einigen Jahren war Print die Norm und das Digitale die Neuheit. Es war nicht leicht, sich an das Gegenteil zu gewöhnen. Heute ist das Digitale Mainstream und die Bedeutung der Druckerzeugnisse hat sich sicher gewandelt. Aber ihre Faszinationskraft, jetzt wo sie nicht mehr das Leitmedium sind, ist gewachsen. Ich denke nicht, dass wir die Auflagen und Verkaufsvolumen von Zeitschriften und Zeitungen der Vor-Internet-Ära wieder erreichen, aber das ist auch gar nicht nötig. Es ist wichtig, dass beide Optionen koexistieren können. Problematisch ist dabei, dass die Medien online ihr Geschäftsmodell nicht finden können. Es ist schwer einzusehen, weshalb wir heute für Inhalte bezahlen sollen, die wir jahrelang im Internet wie selbstverständlich kostenlos abgerufen haben. Die Verbreitung von Musik- und Unterhaltungsplattformen im Streaming hat uns das Online-Abo-Modell nähergebracht, aber für Informationserzeugnisse ist das noch nicht so selbstverständlich. Dazu kommt ein noch größeres Problem: Die Tech-Giganten (vor allem Google und die Social Media) vereinigen den Großteil der früher auf das Zeitungswesen entfallenden Werbeeinnahmen auf sich, was sich abträglich auf deren Inhalte auswirkt.
Wir müssen verstehen, dass hinter jedem Kommunikationsmedium Personen stehen, die es entwickeln, planen, programmieren, Fakten checken, Inhalte erstellen, analysieren und interpretieren, berichtigen: Ein breites Sortiment an Fachleuten, die alle für ihre Arbeit korrekt vergütet werden wollen. Dieses Konzept findet auch für alle anderen Services oder Apps Anwendung, die wir jeden Tag nutzen. All diese Personen müssen ein Gehalt beziehen, und wir Bürger und Verbraucher müssen dies akzeptieren und uns daran halten. Wenn alles kostenlos ist, dann werden wir selbst das Produkt. Wenn ein Service zum Dumping-Preis erhältlich sein soll, dann ist auch die Arbeit, die ganze Ökonomie und Gesellschaft im Dumping-Modus.