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Tiere der Dunkelheit

Lichtsmog und die Auswirkungen auf die Tierwelt

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Published: 28 Okt 2022
Der Einfluss des Menschen auf die Natur geht weit über die bekannten traurigen Umweltsünden wie Plastikmüll in den Meeren, ungebremste Zersiedelung und Zubetonierung oder Entwaldung für noch mehr Plantagen oder Neubauten hinaus. Es gibt eine menschenbewirkte Verschmutzung, die man nicht unmittelbar sehen kann und die in ihrer Unscheinbarkeit eine Beeinträchtigung des sensorischen Apparats bewirkt: die Summe aus Licht- und Lärmverschmutzung.

Auch wenn sie den gleichen Lebensraum bewohnen, haben Lebewesen verschiedene Umwelten, nehmen also ihre Umgebung unterschiedlich wahr. Die Umwelt ist eine Art Wahrnehmungsblase, und jede Art hat die ihre. Dies ist die Theorie von Jakob von Uexküll, einem Pionier der Ätiologie und der Umweltwissenschaften, nach dem jedes Lebewesen in seiner Umgebung lebt, aber mit anderen in Verbindung tritt.

Die evolutionsgeschichtlichen Reize, die an die Sinne der Tiere und ihrer Umgebung gekoppelt sind, werden von menschengemachten Aktivitäten durcheinandergebracht, manchmal mit tödlichen Folgen. Die Dunkelheit ist immer mehr von Lichtverschmutzung bedroht. Der Astronom Pierantonio Cinzano hat berechnet, dass zwei Drittel der Weltbevölkerung in Gebieten leben, in denen die Nächte mindestens 10 % heller gegenüber der natürlichen Dunkelheit sind. Laut einer Studie sind ca. 40 % der Menschen dauerhaft von einer Lichtstärke im Äquivalent des Mondlichts umgeben, während 25 % jede Nacht in einer künstlichen Dämmerung leben, die heller als das Mondlicht selbst ist.
Eine Nacht in Peking (Photo by Alexander Kaunas on Unsplash)
Eine Nacht in Peking (Photo by Alexander Kaunas on Unsplash)
In einer Umwelt, in der die Dunkelheit immer mehr bedroht wird, werden auch die Straßenlaternen um Naturparks zu einer tödlichen Gefahr für Insekten, welche sie für das Licht der Sonne halten und bis zur Erschöpfung um die Lichtquellen herumfliegen. Dunkelheit ist für viele Tierarten überlebenswichtig, man denke nur an die Echoortung, mit der sich Fledermäuse bewegen und jagen. Diese Tiere profitieren vom Dunkel der Nacht und damit von der Unsichtbarkeit gegenüber ihrer Beute und ihren Jägern und modulieren mit der Nase die Schallemissionen, deren Echorückstrahlung sie präzise aufschlüsseln.

Auch Uhus, Nachtfalter, Mücken und verschiedene Säugetiere haben ihre evolutionäre Strategie entwickelt, die Dunkelheit für sich zu nutzen.
Lichtsmog kann im Vergleich zu Umweltverschmutzung (wie Plastikmüll in den Ozeanen) leichter und unmittelbarer bekämpft werden. Wenn wir morgen damit aufhörten, die Meere mit Flaschen und Tüten anzufüllen, verblieben dennoch tausende Tonnen Müll aus dem vergangenen Jahrhundert. Die Art der Beleuchtung zu ändern oder zu vermindern, hat dagegen unmittelbaren Effekt und löst das Problem an seiner Wurzel.
Nehmen wir LEDs: In ökologischer Hinsicht würde LED-Licht den Energieverbrauch bedeutend senken, aber das kalte Licht weißer Hochleistungs-LEDs würde den Lichtsmog erhöhen. Es gibt jedoch moderne Warmlicht-LEDs, die sich auch positiv auf schädliche Effekte der Wahrnehmung nachtaktiver Tiere wie Fledermäuse auswirken oder diese ganz aufheben können.

Um die Bedeutung des Lichts, in diesem Fall des Tageslichts, zu verstehen, beschreibt Ed Yong in der Zeitschrift The Atlantic und in seinem Buch An Immense World: How Animal Senses Reveal the Hidden Realms Around Us den Fall des Viktoriasees, den der Evolutionsbiologe Ole Seehausen studierte. In diesem zwischen Uganda und Tansania gelegenen Wasserbecken leben über 500 Barscharten, die es nirgendwo sonst gibt. Was ist der Grund für diese unglaubliche Einmaligkeit? Das Tageslicht: Denn in den tiefsten Teilen des Sees finden wir eine Leuchtkraft, die ins Gelb und Orange tendiert, während in den flacheren Gefilden das Wasser hellblaue Färbung besitzt. Die Fische richten sich also stets nach dem Licht, das seit Jahrtausenden auch für eine Farbenvielfalt dieser Art gesorgt hat: Die nah der Oberfläche lebenden Weibchen bevorzugen die Paarung mit hellblauen Barschen, jene aus der Tiefen wählen Männchen in rötlichen Farben. Die Verschmutzung in den letzten Jahrzehnten hat eine Trübung seiner Wasser bewirkt, das wiederum zu einem Algenwachstum führte, die das Tageslicht aussperren und damit die natürliche Auslese der Fische erschweren und zu deren massivem Aussterben führen. Die Geschichte der Barsche des Viktoriasees ist nur eine von vielen, die uns vor Augen führen, welche Auswirkung die Beeinträchtigung der Sinnesorgane von Tieren haben kann, und in manchen Fällen sogar ihre Verbindung zum Kosmos abreißen lässt.
Die Sinneswelt der Tiere und die Art und Weise zu verstehen, wie sie ihre Umwelt auffassen, hilft dabei, zu „verstehen, wie wir die Natur schädigen und kann uns auch die Werkzeuge an die Hand heben, sie zu bewahren“, schreibt Ed Yong.