Die römische Pietà von Michelangelo ist eines der weltweit gerühmtesten Kunstwerke, dessen Bekanntheitsgrad mit dem Letzten Abendmahl und der Mona Lisa vergleichbar ist. Die Fabbrica di San Pietro schätzt, dass jeden Tag 40.000 bis 50.000 Besucher sie besichtigen. Auch aus diesem Grund hat die Fabbrica di San Pietro mit ihrem Vertreter Kardinal Angelo Comastri den Wunsch ausgedrückt, die Beleuchtung für ein besseres Kunsterlebnis zu verbessern und dazu eine Spezialbeleuchtung für besondere Anlässe und Gäste zu realisieren.
1499 schuf der noch blutjunge Michelangelo die Skulptur als eines seiner ersten Bildhauerwerke überhaupt. In der christlichen Tradition wird das Thema der Pietà (Frömmigkeit) durch die sitzende Jungfrau mit geradem Oberkörper repräsentiert, während die Leiche Christi für gewöhnlich als eher starr aufgefasst wird. In der Römischen Pietà von Michelangelo trägt Maria dagegen ein Kleid, das viele Falten wirft, und ihr Kopf wird von einem stark drapierten Schleier bedeckt; mit der rechten Hand hält sie Christus, ihre Finger drücken den Brustkorb unterhalb der rechten Schulter und schützen ihn mit einem Zipfel des Mantels. Das Haupt Christi hängt schlaff nach hinten herab, sein rechter Arm fällt nach unten. Michelangelo vermenschlichte die Körper beider Akteure und die Gefühle der Jungfrau auf profunde Art und Weise. Dieses absolute Meisterwerk ist auch das einzige von Michelangelo gezeichnete Werk überhaupt: Auf dem Band, das den Oberkörper der Madonna entlang führt, steht zu lesen: MICHEL.A[N]GELVS BONAROTVS FLORENT[INVS] FACIEBAT (Dieses Werk schuf der Florentiner Michelangelo Buonarroti). Heute befindet es sich in der ersten Kapelle des rechten Seitenschiffs des riesigen Petersdoms, aber seinen heutigen Standort hat es erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts inne. Die Skulptur wird durch eine dicke Panzerglaswand geschützt, seitdem sie eine psychisch instabile Person 1972 schwer beschädigte und sie lange restauriert werden musste. Die große Besuchermenge bewundert das Werk daher aus einem festgesetzten Abstand und klar festgelegten Positionen. Der Wunsch zu einer neuen Beleuchtung wurde im Oktober 2018 durch das Beleuchtungskonzept des Studios Rossi Bianchi Lighting Design erfüllt. Es verdankt sich dem kontinuierlichen und konstruktiven Dialog zwischen allen beteiligten Akteuren, die sich der großen Verantwortung bei der Arbeit an einem Werk dieser Größenordnung sehr bewusst sind. Ziel des Planungsbüros war es, eine verbindende und stimmige Ansicht des Ganzen entstehen zu lassen, in der der Blick verweilen und die Ausdrucksintensität jedes Details dieses Meisterwerks bestaunt werden kann. Dazu war eine gemessene und geordnete Beleuchtung notwendig, die die plastischen Formen und die Leuchtkraft wiederzugeben in der Lage war. Bei den Arbeiten, die auch den Ausbau der früheren Lichtanlage beinhalteten, wurde eine Anlage mit vier verschiedene Lichtszenarien realisiert, um unterschiedlichen Aktivitäten und Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Die einzelnen Szenarien wurden auf Grundlage allgemeiner Vorgaben und Kriterien durch neue Leuchtkörper und deren Anordnung festgelegt: Neuartige LED-Lichtquellen mit warmen Weißtönen (Farbtemperatur 3000K) mit sehr hoher Farbwiedergabe, langer Lebensdauer und niedrigem Energieverbrauch; kompakte und kleine Leuchten, die entweder unsichtbar oder einen minimalen visuellen Impact haben; hochauflösende Strahler mit konzentrierten Emissionen und extrem kontrollierten Strahlweiten für die Beleuchtung der Marmorgruppe und der Kapelle; Einsatz von vertikal angebrachten Stromschienen an den Seiten der Wandpfeiler mit Blick auf die Marmorgruppe, um die Strahler auf die für die Ausrichtung des Strahls und die Leuchtdichtensteuerung angemessene Höhe zu bringen; Ausschluss von Mauerwerk oder zusätzlicher Einspeisepunkte; höchster Sehkomfort und Ausschluss aller Blendquellen sowohl innerhalb der Kapelle als auch von außerhalb durch das Schutzglas; Möglichkeit der Regelung der ausgegebenen Lichtintensität der einzelnen Apparate, unabdingbare Voraussetzung für die Festlegung und die Auswahl der verschiedenen Szenarien. Das neue Beleuchtungskonzept findet nicht nur an der Skulptur, sondern im gesamten Kontext der sie beinhaltenden Kapelle Anwendung. Verwendet werden Palco-Strahler mit 12° und 26°-Optiken sowie Palco mit Profiliervorrichtung, die sämtlich auf Low Voltage-Schienen installiert sind. Für die Illuminierung der Bögen werden auch Underscore- Lichtlinien eingesetzt. Sämtliche Leuchtkörper, alles DALI, sind in Einschaltguppen gegliedert mit der Möglichkeit, die ausgegebene Lichtstärke zu kalibrieren, so dass das Beleuchtungsprojekt auf verschiedene Szenarien ausgerichtet werden kann, die den wechselnden Bedürfnissen und visuellen Aufgaben der Zukunft entsprechen. Für all dies sorgt ein Steuerungssystem. Unter Zuhilfenahme der vier Himmelsrichtungen legt das Konzept geeignete alternative Lichtsituationen fest, ohne diesen eine andere Bedeutung als eine größere ausstellerische Klarheit verleihen zu wollen.
Beim Szenario Nord - Plastisch stehen die Palco-Strahler auf Schienen seitlich von den Wandpfeilern im Mittelpunkt. In diesem Szenario nimmt man keine vorherrschende Richtung wahr und das Gleichgewicht von Hell-Dunkel-Tönen führt den Besuchern die Plastizität des Werkes vor Augen. Der Blick kann auf jedem Detail ruhen und gleichzeitig in einer größeren Dimension die Harmonie des Ganzen schauen. Das Mittelgewölbe, mit den Fresken von Giovanni Lanfranco, wird gleichförmig mit zu den Kapitellen allmählich absteigenden Lichtstärken beleuchtet. Die seitlichen Bögen und Gewölbe erhalten ein gleichmäßiges Licht von geringerer Intensität. Das Kruzifix erstrahlt diagonal durch einen Strahler in beträchtlicher Entfernung auf dem Gesims.
Beim Szenario Ost - Lichtschnitte steht dagegen das Lichtbündel eines Strahlers im Mittelpunkt, der auf dem seitlichen, nach Osten gerichteten Kapitell installiert ist und dessen Licht die La Pietà schneidet. Die Richtung des Lichteinfalls ist sichtbar, die Schatten akzentuiert. Das geneigte Haupt der Jungfrau erhält eine zarte Akzentuierung von unten nach oben. Die ruhige Beleuchtung der Gewölbe und des Hintergrunds rahmt die Marmorgruppe ein. Die vibrierenden Reflexe heben den Glanz des Marmors effektvoll und emotionalisierend hervor.
Das Szenario Süd - volles Licht ist für Veranstaltungen oder spezielle Aktivitäten gedacht, so dass hier höhere Beleuchtungsstärken zum Einsatz kommen, um die Betrachtung der La Pietà auch vom Mittelschiff der Basilika zu ermöglichen. Gegenüber dem vorherigen Szenarien ist die Beleuchtung des Mittelgewölbes, der Bögen und der seitlichen Gewölbe etwas zurückgenommen. Zum Strahllicht kommt hier noch das Licht der frontalen Strahler zum Tragen. Der Alter ist in ein gedämpftes Licht getaucht. Von oben lässt ein Palco- Strahler mit 26°-Optik das Kruzifix hervortreten.
Im Mittelpunkt des Szenarios West – alltäglich stehen dagegen Schienen-Strahler mit 12°-Optik, die seitlich von den Wandpfeilern eingebaut sind. Ihre Strahlen kreuzen sich in symmetrischen Winkeln, um die plastische Natur des Werks vor Augen zu führen. Der von unten nach oben erstrahlende Hintergrund gleicht die Kontraste aus. Das Mittelgewölbe wird gleichförmig mit zu den Kapitellen allmählich absteigenden Lichtstärken beleuchtet. Die seitlichen Bögen und Gewölbe erhalten ein gleichmäßiges Licht von etwas geringerer Intensität. Ein Strahler in einiger Entfernung, um den Schlagschatten zu reduzieren, lässt das Kruzifix hervortreten. Die helldunklen Akzente ermöglichen eine stimmige und einheitliche Wahrnehmung des Ganzen, wobei die Lichtstärken sowohl der näheren Betrachtung innerhalb der Kapelle als auch in größerer Entfernung durch das Schutzglas angemessen sind. Die neue Beleuchtung trägt dazu bei, dieses Meisterwerk in allen seinen Details vollauf zu genießen, hilft aber auch dabei, die theologischen Elemente und den Andachtscharakter des Werks für seine richtige Einordnung zu verstehen.
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