„Robby habe ich das erste Mal 1981 in einer Bar auf einem Boot in Rotterdam getroffen, als ich anlässlich des dortigen Filmfestivals meinen ersten Film Permanent Vacation zeigte.
Wim Wenders wusste, dass ich ein großer Fan von ihm war und sagte mir genau, wo ich ihn treffen konnte. Ich war sehr nervös bei der Begrüßung, aber dann fingen wir an, stundenlang zu reden. Es war der Beginn einer der wichtigsten menschlichen Beziehungen meines Lebens. Robby wurde mein enger Freund, mein Mitarbeiter und mein Meister.“ So beschreibt Jim Jarmusch seine erste Begegnung mit Robby Müller, dem Kameramann, der mit Schwergewichten des Films wie Jim Jarmusch, Lars von Trier, Roberto Benigni und Steve McQueen die Geschichte des Kinos geschrieben hat. Das Frappierende an Müller ist, dass seine Beziehungen zu den Regisseuren, mit denen er arbeitete, immer über das Set hinausgingen: Es waren tiefe menschliche Beziehungen, wie die zu Wim Wenders, auf die wir noch zu sprechen kommen.
Die tiefe Zuneigung von Jarmusch für Müller hat gar die Sphäre des Kinos überschritten: Die Band SQÜRL, ein Post-Rock-Duo bestehend aus Jarmusch selbst und Carter Logan, hat Anfang 2020 das Album Some Music For Robby Müller eingespielt, das Tracks des Dokumentarfilms Living the Light - Robby Müller von Claire Pijman enthält, der 2018 auf der Mostra internazionale del Cinema di Venezia vorgestellt wurde. In ihm erzählen Freunde und Regisseure von seinem heiteren Wesen und seinem für Hollywood so einzigartigen Blick auf die Welt.
Der Trailer von Living the Light - Robby Müller
Der am 3. April 1940 in Curaçao auf den niederländischen Antillen geborene Müller studierte an der Netherlands Film Academy und starb am 3. Juli 2018 in Amsterdam. Seine ersten Arbeiten entstanden in den 60er Jahren. Müller gehörte zu jener Generation junger Künstler, die das Set als obsolet betrachteten und lieber die Straße aufsuchten, um die Wirklichkeit einzufangen. Als Müller 1968 das erste Mal auf Wenders traf, den später gefeierten Regisseur von Der Himmel über Berlin, war dieser noch Student an der Filmhochschule München. Ihre Freundschaft begann am Set: Müller war Kameraoperateur, Wender Regieassistent. Nach dieser ersten Begegnung betraute Wenders Müller mit der Fotografie seines Abschlussfilms für die Hochschule.
„Ich glaube, dass Wenders und ich zusammenbleiben, denn ich scheine viele der Träume von Wim umsetzen zu können“, schilderte es Müller damals.
Robby Müller bevorzugte Naturlicht gegenüber dem sperrigen und nicht spontanen Kunstlicht. Seine Fotografie ist von minimalistischen, nie zu stark konstruierten Einstellungen geprägt: Er bewegte sich am Set mit der Leichtigkeit und Agilität eines Fotografen, als hätte er keine schwere Ausrüstung, sondern nur einen Fotoapparat in der Hand. Aus jedem Einzelbild, an dem Müller arbeitete, tritt die scheinbare Schlichtheit hervor, die uns den Eindruck des Moments schenkt, der vor dem Auge des Zuschauers abläuft.
Die Empfindsamkeit Müllers drückte sich auch in der Farbe aus: Bei ihm war die allgemeine Temperatur der Einstellungen bedeutsam, ohne jemals offensichtlich zu sein.
Analysieren wir einen seiner Filme, vielleicht den bekanntesten, der sich im Auge des Zuschauers unauslöschlich eingeprägt hat und in die Geschichte des Kinos eingegangen ist:
Paris, Texas von Wim Wenders, Gewinner der Goldenen Palme als bester Film auf dem Festival von Cannes 1984. Die Wahl der Farbpalette ist hier stark symbolisch und wird streng eingehalten, ohne dabei artifiziell oder gesucht zu erscheinen. Das Rot, Weiß und Blau repräsentieren Amerika und den amerikanischen Traum. Den starken Kontrast mit diesem Triptychon der Farben markiert das fluoreszierende und verfremdende Grün, das den Gegensatz zu diesem Traum erzählt: Bruch, Scheitern, Desillusionierung.
Robby Müller fing die Stimmung der vom Film erzählten Geschichte ein und überführte sie in Bilder aus Licht und Farben, die wie im Fall von Paris, Texas im Film wie Gitarrenriffs in den Songs von Some Music For Robby Müller auftauchen.
Robby Müller fing die Stimmung der vom Film erzählten Geschichte ein und überführte sie in Bilder aus Licht und Farben.
„Was andere für Fehler ansahen, war für Robby eine Tugend.“ Wenders erzählt, dass kein Kameramann ein grünes Neonlicht wie das von Der amerikanische Freund belassen hätte. Müller dagegen verwandelte den „Fehler“ (den das entwickelnde Studio zur Korrektur angeboten hatte) in das charakteristische Element der vom Film erzählten Geschichte (einem existenziellen Thriller), in die visuelle Übertragung der Befindlichkeit des Protagonisten Jonathan Zimmermann.
Der Trailer von Der amerikanische Freund (1977)
Schaut man die Filme, an denen Müller mitgearbeitet hat, und die
Polaroids, mit denen er die Details des Lebens um sich herum eingefangen hat, ist man beeindruckt von seiner Fähigkeit, Licht und Farben für die Erzählung von Empfindungen einzusetzen, die auf natürliche und zarte Weise zum Vorschein kommen, wie die Noten von Dutch light on silver water, dem zweiten Track von Some Music For Robby Müller: Melancholische Reflexe in Musik, in denen wir die Welt durch das Auge des Licht-Meisters diesmal auch hören können.