Aber worin genau besteht die
teoria del piacere? Kurz gefasst handelt es sich dabei um die von Leopardi geäußerte Vorstellung, nach der die erfüülendste aller Tätigkeiten – die einzige, welche unsere grenzenlosen Sehnsüchte stillt – die Ausübung der Vorstellungskraft ist. Auch sich selbst zu täuschen, notiert der Dichter mit Bitterkeit, ist angenehm - wenn es nur dauert. Die Vorstellung wird, ob im Alltag oder in der Poesie, besonders durch das Vage und Unbestimmte angeregt, eben den Regungen, die Platz für die Vorstellung lassen.
Wir haben die Leopardi-Expertin Chiara Fenoglio von der Università di Torino gebeten, uns bei der Einordnung der
teoria del piacere zu helfen: „Es ist eine sehr komplexe Theorie“, erläutert sie, „die Leopardi in den über 4000 Seiten des
Zibaldone entwickelt. Ausgangspunkt ist das Bewusstsein, welches sich aus den
eudämonistischen Theorien des 18. Jahrhunderts speist, dass es die Erfüllung nicht gibt, sondern nur einzelne, zufällige und begrenzte Freuden. Daher stammt die Auffassung, dass sich nur im Unbestimmten und in der Vorstellung echte Erfüllung finden ließe, was Leopardi beispielsweise im
Das Unendliche oder im kleinen,
Tasso gewidmeten Werk ausführt. Aber wichtig für eine solche Geisteshaltung, schreibt Leopardi an einer weniger bekannten Stelle des
Zibaldone, sei auch, „das Wenige zu schätzen“ und jenen „Gemütssinn“ zu entwickeln, der nicht der Weg der Glückseligkeit sein mag, aber möglicherweise die einzige ernsthafte Hypothese eines nicht (zu) unglücklichen Lebens.“